Begegnungen (II): Allenstein/Olsztyn und Tirol

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Warmińsko-Mazurska Filharmonia im. Feliksa Nowowiejskiego

Unter dem Titel „Begegnungen“ veröffentliche ich kurze Interviews mit Menschen aus Allenstein/Olsztyn, die ich hier getroffen habe, um ihr Leben, ihre Arbeit und ihre Sicht auf ihre Heimatstadt vorzustellen.

Eine der neuesten Kulturinstitutionen in Allenstein/Olsztyn ist die Warmińsko-Mazurska Filharmonia im. Feliksa Nowowiejskiego, die ermländisch-masurische Feliks Nowowiejski-Philharmonie, benannt nach dem bekanntesten Komponisten des Ermlands, der 1877 im nahe gelegenen Wartenburg/Barczewo geboren wurde. Bei meinem ersten Besuch dort traf ich Magdalena Tokajuk, Koloratursopranistin und eine der Pressesprecherinnen der Philharmonie, und wir hatten uns damals darauf geeinigt, noch einmal länger über ihre Arbeit und die Region zu sprechen.

Als ich Magdalena vor dem Hohen Tor treffe, unterhält sie sich gerade angeregt mit einem älteren Touristenpaar aus Italien. „Als ich sie reden hörte, musste ich einfach mit ihnen plaudern“, sagt Magda, die bei den Tiroler Festspielen Erl gearbeitet hat und erst vor kurzem nach Allenstein/Olsztyn zurückgekehrt ist, als wir dann auf dem Weg ins nächste Café sind. „Aber das ist nicht sehr polnisch, oder? Mit Fremden auf der Straße reden?“ frage ich darauf, und Magdalena antwortet mit einem Grinsen: „Vielleicht unterschätzt du ja die jüngere Generation der Polen?“

Erzähl mir etwas über deine Arbeit und Karriere.

Ich verließ Allenstein/Olsztyn, um in Posen/Poznań zu studieren. Das Festivalengagement in Tirol war nur saisonal, im Sommer und Winter. Ich habe dort einige Spielzeiten gearbeitet und es hat mir sehr gut gefallen. Ich war dort die einzige Künstlerin aus Polen und es war ein guter Ort, um patriotisch zu sein, haha. Ich versuche den Leuten immer zu zeigen, dass abseits der Klischees über Polen hier ein Land mit großartiger Kunst und Kultur existiert. In Tirol hatte ich einen Vertrag für jeweils drei Monate und nach Ende der Spielzeit kehrte ich dann immer nach Polen zurück – von meinen Einkünften in Österreich konnte ich dann den Rest des Jahres gut hier leben. Ich hatte auch die Gelegenheit, mit dem Festival in China aufzutreten. Ich habe diese Erfahrung wirklich genossen, es war eine fantastische Reise und eine wunderbare Gelegenheit für mich, um mehr Auslandserfahrung zu sammeln. Das war allerdings außerhalb der Spielzeit und ich brauchte eine Sondererlaubnis meiner Professoren, um mitzufahren.

Neben deiner Arbeit in der Philharmonie arbeitest du hier weiter auch als Sängerin. Wie funktioniert das für dich? Wirst du viel gebucht oder musst du viel Eigenwerbung betreiben?

Normalerweise kommen die Leute mit Gastspiel- und anderen Auftrittsangeboten auf einen zu, aber ich bin hier noch neu als Sängerin, obwohl ich in Ermland-Masuren geboren bin. Viele kennen also diesen Aspekt meiner Arbeit noch nicht. Im Augenblick betreibe ich also noch relativ viel Eigenwerbung. Aber eines habe ich in meinem Leben gelernt: Sag niemals nie! Wenn jemand eine Stimme braucht, wird er sie finden. Sehr oft helfen einem auch die Professoren sehr – wenn sie von einem Talent überzeugt sind, fördern sie einen auf jeden Fall. Aber meine Professoren sind in Posen/Poznań und können mir dort und in anderen größeren Städten helfen, aber nicht in Allenstein/Olsztyn. Ich bin also auf eine gewisse Art und Weise auf mich allein gestellt. Das ist neu für mich, all die Organisation und der Versuch, meine eigene „Marke“ zu etablieren. Aber in der Philharmonie zu arbeiten ist großartig, auch für mich als Sängerin – einfach, weil ich hier mit all den anderen Musikern in Kontakt bin. Und soweit ich weiß, bin ich die einzige Koloratursopranistin in der ganzen Region.

Es ist allerdings ein bisschen schwierig für mich, da es kein Opernhaus hier gibt und die Stücke, die ich normalerweise singe, nicht so bekannt sind. Die Gemeinden in kleineren Orten und Dörfer haben oft wenig Kontakt mit (klassischer) Musik. Und ich denke, dass Menschen von klein auf Zugang zur Musik haben sollten. Man kann es an meinem Beispiel sehen: Ich habe bis zu meinem 15. Lebensjahr nie ein Instrument gespielt, und als ich dann zur Musikschule und zum Gesangsunterricht ging, dachte ich zuerst: „Was ist das? Das ist so langweilig! Wer will das hören?“. Die Art von Musik, die ich singe, ist nicht unbedingt leicht zugänglich, und es braucht Zeit, um sie zu verstehen und zu schätzen. Zum Glück ändert sich das aber auch gerade. In kleinen Städten und Dörfern werden jetzt lokale Musikschulen mit großem Erfolg betrieben – zum Beispiel die Powiatowa Szkoła Muzyczna w Dywitach (Kreismusikschule in Diwitten/Dywity). Ich wünschte nur, das hätte es bereits gegeben, als ich ein Kind war …

Hast du die Entscheidung, nach Allenstein/Olsztyn zurück zu kommen,
getroffen, bevor du den Job bei der Philharmonie hattest?

Das ist eine sehr interessante Geschichte (lacht). Bei mir und meinem Mann war es Liebe auf den ersten Blick, und wir haben die Entscheidung, hierher zurück zu kommen, komplett spontan getroffen. Ich hatte zu dem Zeitpunkt keinen Job, keine Wohnung und keine Perspektiven für meine Gesangskarriere. An dem Tag also, an dem ich meinen Mann sagte, dass ich nicht mehr nach Österreich gehen werde, hat er mir einen Heiratsantrag gemacht. Er ist ein Ingenieur, eine ernsthafte und ordentliche Person, und ich kann nicht von ihm erwarten, dass er meinen verrückten Lebensstil teilt. Ich musste mich also zwischen der einen Liebe und der anderen Liebe entscheiden. Es war eine schwierige, aber bewusste Entscheidung. Unsere beiden Eltern wohnen hier und ich erinnere mich, dass meine Mutter mir immer schon sagte, dass ich nach der Uni so schnell wie möglich wieder nach Hause kommen sollte. „Magda, wir haben so ein großes Haus, wer wird darin wohnen?“ Und ich sagte: „Niemals Mama, dieser Ort ist nichts für mich.“ Und hier bin ich jetzt, haha.

Und wie siehst du Allenstein/Olsztyn heute?

Ich mag es, mich mit verschiedenen Menschen zu unterhalten, verschiedene Kulturen kennen zu lernen und unterschiedlichen Sichtweisen zu verstehen. Hier hat aber jeder bis zu einem gewissen Grad die gleiche Denkweise. Aber die Stadt hat sich in den zehn Jahren seit meinem Abitur sehr verändert. Und es ist ein schöner Ort zum Leben – das erkenne ich jetzt, nachdem ich weg gewesen bin. Und hier gibt es viele Möglichkeiten für Kinder und junge Familien, ihre Zeit in der Natur und weit weg von ihren Smartphones zu verbringen, was wirklich wichtig ist. Besonders im Sommer ist das Kulturangebot großartig.

Manchmal ist es wichtig, die Welt mit den Augen anderer zu sehen. Wir Polen neigen dazu, viel zu meckern und vieles schlecht zu finden – aber wenn ich mich mit Menschen wie dem italienischen Paar unterhalte, erkenne ich, was wir an unserer Stadt haben. Allenstein/Olsztyn ist ein guter Ort. Aber vielleicht musste ich erst weggehen, um das zu sehen.

Encounters (II): Olsztyn and Tyrol

Under the title ‚Encounters‘ I publish a series of interviews with people from Olsztyn I’ve met during my time here – about their lives, their work and how they see their hometown.

One of the newest addition among the cultural buildings in Olsztyn is the Warmińsko-Mazurska Filharmonia im. Feliksa Nowowiejskiego, the Warmain-Mazurian philharmonic named after composer Feliks Nowowiejski – who was born in nearby Barczewo in 1877 and is the most famous composer from Warmia. The new philharmonic is fine modernist building with five floors all centered around the impressive main hall, and when I was there for the first time a few weeks ago I met Magdalena Tokajuk, coloratura soprano and one of the press officers of the philharmonic. We agreed to meet again to talk about her work, and as I meet her this time in front of the Wysoka Brama she is engaged in an engaged chat with an elderly tourist couple from Italy. ‚When I heard them talk Italian I couldn’t resist chatting with to them,‘ Magda, who has worked at the Tyrolean Festival Erl in Tyrol and only returned home to Olsztyn last year for her husband, tells me as we head for the nearest cafe. ‚But that’s not very Polish, is it? Talking to strangers on the street?‘ I ask. ‚Maybe you’re underestimating the younger generation of Poles?‘ Magda answers with a grin.

Tell me a bit more about your work and your career.

I left Olsztyn to study in Poznań. And the festival engagements in Tyrol were just seasonal, summer and winter. I worked there for quite a few seasons, and I really enjoyed it. I was the only person from Poland there, and I enjoyed representing Poland there. It was a nice place to be patriotic, haha. I tried to show the people that there is another Poland with a rich artistic heritage and culture as opposed to the stereotypes they might have. In Tyrol had a contract for three months, and accommodation was included in that. And after the season ended I returned to Poland to continue studying and could live from what I made at the festival for the rest of the year. I also had the opportunity to perform in China with the festival. I really enjoyed that experience, it was a big organisation and a wonderful opportunity for me. It was outside the season and I needed special permission from my professor to do it.

Tiroler Festspiele Erl

Besides your work at the philharmonic you also continue to work as a singer. How does that work for you? Are you getting booked, or do you have to do a lot of self-promotion?

Normally people would call you, but though I’m from here I’m new as a singer. So not many people here knew about my work – yet. So I ring up institutions and people, and overall try to establish myself as a new voice around here. But one thing I learned from my life: you never know. If somebody needs you and your voice, they will find you. Very often the professors help a lot – if they think you’re talented they’ll definitely help you. But my professor is in Poznań and could help me there or in other big cities, but here I’m on my own in a way. This is new for me, to do everything on my own and establish my own brand. But working at the philharmonic is good way to get to know all the musicians and the local networks, especially as there are only a few singers around here. As far as I know I’m the only coloratura soprano in the whole region.

It’s a bit difficult for me though as there is no opera house and the pieces I normally sing are not so popular here. The communities in smaller towns often aren‘t exposed to music, which should be done often and from the very beginning – you can see it on my own example: I never played an instrument until I was 15, then went to music school for the singing lessons and thought: ‚What is this? This is so boring! Who wants to listen to it?‘ And what I do is not the type of music that’s easily accessible and it takes time to understand and appreciate it. But luckily this also changes. Little local music schools run with a huge success in little towns and villages – for example there is the Powiatowa Szkoła Muzyczna w Dywitach (County Music School in Dywity). I just wish it started when I was a child…

And did you make the decision to come back here before you had the job at the philharmonic?

Well, that is an interesting story (laughs). It was very much love on first sight with me and my husband, and we made a very spontaneous decision to come here – I had no job, no apartment, no perspective to continue my career. On the day, I told him ‚I’m not going to Austria any more‘ he proposed. He is an engineer, a serious orderly person and especially in marriage I cannot expect that he will follow this crazy life of mine. I had to make a choice between a love and a love. It was a tough but conscious decision. Both of our parents live here, and I remember that my mother always wanted me to come home after I finish studies, and she always said ‚Magda, we have such a big house, who will live in it?‘ And I said: ‚Never mum, this place is not for me.‘ And here I am, haha.

So what are your views on Olsztyn now that you are back?

I like to mingle with different people, different cultures, different points of view. Here everyone has sort of the same mindset. But the place has changed a lot in the ten years since my matura. And it’s a nice place to live – I can see that now, after having been away. And here there are many possibilities for kids and young families to spend time away from smart phones, which is really important. Especially in summer.

Sometimes it’s important to see the world through the eyes of others. We Poles like to complain a lot, but when I talk to you or the Italian couple for example, I can see that we have good things going for us here: all visitors are amazed by the beautiful nature and that Olsztyn is really a nice place. But maybe I had to go away first to see that.

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