Franz: Krieg

To the English version

Am Morgen des 1. September 1939 marschierte Franz zusammen mit 2 Millionen anderen deutschen Soldaten in Polen ein. Er war erst wenige Tage zuvor, am 26. August, im Rahmen der allgemeinen deutschen Mobilmachung eingezogen worden. Seine Einheit, das 196. Infanterieregiment, wurde als Teil der zweiten Welle deutscher Truppen, die in das Nachbarland einmarschieren sollten, aufgestellt. Das Regiment versammelte sich im brandenburgischen Wriezen und schloss sich dann der Heeresgruppe Nord der Wehrmacht an, die den sogenannten „polnischen Korridor“ angriff und in den 14 Tagen danach weiter über die Weichsel in Richtung Warschau marschierte.

Wenn ich mich nicht irre, war dies tatsächlich das erste Mal, dass Franz Polen sah. Er hatte natürlich für seine Reisen nach Berlin und zurück den Korridor überquert, aber eine Reise nach Krakau oder Warschau war ausgeschlossen, da sie möglicherweise die Aufmerksamkeit auf ihn und seine Spionagetätigkeit seit 1935 lenken würde. Die Bitterkeit dieser Situation muss für ihn erdrückend gewesen sein. Hinzu kam die Angst, als Spion entdeckt zu werden. Wie er seiner Freundin Pelagia offenbarte:

„Ich habe Angst vor mir selbst. Ich habe Angst vor meinen Träumen, davor dass ich im Schlaf zufällig meine Gedanken und Absichten verrate.“

Aber wie auch immer er sich fühlte, er musste den Schein wahren und den Befehlen folgen, damit er keine Aufmerksamkeit auf sich zog. So wie viele andere Wehrmachtssoldaten muss er gekämpft und getötet haben. Während der bis zum 5. September dauernden Schlacht in der Tucheler Heide vernichteten er und seine Kameraden die polnische Armee in Pommern und töteten und verwundeten 2500 polnische Soldaten.

Bundesarchiv Bild 101I-012-0037-23A, Polen, Straßenkampf, Infanterie Recolored.jpg

Vom ersten Tag an begingen die deutschen Truppen Gräueltaten gegen polnische Zivilisten und Kriegsgefangene, die der perversen nationalsozialistischen Ideologie der Rassenherrschaft entsprachen. Soldaten der Wehrmacht töteten Kriegsgefangene in Śladów in Südpolen, wo 252 Männer erschossen oder ertränkt wurden, in Ciepielów in Masowien, wo etwa 300 Kriegsgefangene getötet wurden, und in Zambrów in Podlasie, wo weitere 300 erschossen wurden. Den Gefangenen im Kriegsgefangenenlager in Żyrardów, die nach der Schlacht an der Bzura in der Nähe von Warschau gefangen genommen wurden, wurde jegliches Essen verweigert und sie hungerten zehn Tage lang. Am 11. September warfen Wehrmachtssoldaten Handgranaten in ein Schulgebäude, in dem sie polnische Kriegsgefangene untergebracht hatten. Laut einigen Quellen ermordete die Wehrmacht während ihres Feldzugs mindestens 3.000 polnische Kriegsgefangene. Nach dem Ende der Feindseligkeiten und während der Verwaltung Polens durch die Wehrmacht, die bis Oktober 1939 andauerte, unternahmen SS-Einsatzgruppen die sogenannte Operation Tannenberg, eine Kampagne zur ethnischen Säuberung von Mitgliedern der polnischen Elite wie Künstlern, Gelehrten, Geistlichen und Schauspielern. Schätzungsweise 20.000 polnische Zivilisten wurden von diesen Einsatzgruppen erschossen.

Über die Erfahrungen von Franz in Polen kann ich nur spekulieren. Hat er Hinrichtungen und Erschießungen miterlebt? Hat er sich bei polnischen Zivilisten, denen er begegnete, als Muttersprachler zu erkennen gegeben? Wurden seine Sprachkenntnisse vielleicht sogar von seinem Kommandeur erkannt und Franz als Übersetzer eingesetzt? Oder hat er das alles vor seinen kommandierenden Offizieren und Kameraden geheim gehalten?

Laut seiner Gerichtsakte war sein Verhalten als Wehrmachtssoldat „gut“. Er erhielt den Rang eines Gefreiter, und sein „Disziplinaroffizier“ beurteilte ihn als „anständigen Charakter“ und „guten Kameraden“. Er erhielt jedoch einmal eine Disziplinarstrafe. Ich frage mich wofür.

Bundesarchiv Bild 101I-012-0018-06A, Polen, Gefallene polnische Soldaten

Franz: War

On the morning of September 1st, 1939, together with 2 million other German soldiers, Franz marched into Poland. He had been re-drafted into the Wehrmacht just days ago, on August 26, when his unit, the 196th infantry regiment, had been created as part of the second wave of German troops to enter the neighbouring country. The regiment assembled in Wriezen in Brandenburg, and then joined the Army Group North of the Wehrmacht that attacked the so-called ‚Polish Corridor‘, and in 14 days crossed the Vistula towards Warsaw.

If I am not mistaken, this was actually the first time Franz saw Poland proper. He had obviously crossed the corridor when travelling to Berlin, but any travels to, say, Cracow or Warsaw, were prohibited as they would potentially draw attention to him and his espionage activity since 1935. The bitterness of that situation must have been crushing for him. In addition, there was the paranoia about being discovered as a spy. As he told his girlfriend Pelagia:

„I am afraid of myself. I am afraid of my own dreams that in my sleep I accidentally betray my thoughts and intentions.“

But however he felt, he had to keep up appearances and obey orders lest he drew more attention to himself. So like many the other Wehrmacht soldiers, he must have fought and killed. During the Battle of Tuchola Forest that lasted until September 5, he and his comrades destroyed the Polish army of Pomerania and killed and wounded 2500 Polish soldiers.

Polnische Kriegsgefangene exekutiert durch Soldaten des Infanterie-Regiment (mot.) 15 in Ciepielów am 09.September 1939

From day one, the German troops also committed atrocities against Polish civilians and prisoners of war, all in tune with the perverse Nazi ideology of racial dominance. Wehrmacht soldiers killed POWs at Śladów in southern Poland, where 252 prisoners of war were shot or drowned, at Ciepielów in Masovia where some 300 POWs were killed, and at Zambrów in Podlasie, where a further 300 were killed. The prisoners in the POW camp in Żyrardów, captured after the Battle of the Bzura near Warsaw, were denied any food and starved for ten days. On September 11, Wehrmacht soldiers threw hand grenades into a school building where they kept Polish POWs.

According to some sources, the Wehrmacht murdered at least 3,000 Polish POWs during their campaign. After the end of hostilities and during the Wehrmacht’s administration of Poland, which went on until October 1939, SS Einsatzgruppen undertook what they called Operation Tannenberg, an ethnic cleansing campaign aimed at members of the Polish elite like artists, scholars, clergy, and actors. And estimated number of 20,000 Polish civilians were shot by those Einsatzgruppen.

I can only speculate about the experiences of Franz in Poland. Did he witness some of the executions and shootings? Did he make himself known as a native speaker to the Polish civilians he encountered? Were his language skills perhaps recognised by his unit commander and Franz employed as a translator? Or did he hide all this from his commanding officers and comrades?

According to his court files, his conduct as a Wehrmacht soldier was ‚good‘. He became a private first rank or Gefreiter, and his ‚disciplinary officer‘ assessed him as having a ‚decent character‘ and being a ‚good comrade‘. He did however once receive a ‚disciplinary penalty‘. I wonder for what that was.

Ein Gedanke zu „Franz: Krieg“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

RSS
Follow by Email
Instagram